Kaum ein politisches Ereignis hat uns in so kurzer Zeit durch so viele Horrormeldungen so verunsichert, wie der BSE-Skandal. Er hat aber auch eine politische Neuorientierung bewirkt, die durch konsequenten Verbraucherschutz, Modulation der bisherigen Prämiensysteme bis hin zum Ausbau der ökologischen Landwirtschaft gekennzeichnet ist.
Brüssel und Berlin setzen auf eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die Erzeugern, Verbrauchern, Tieren und Umwelt gleichermaßen zugute kommen soll.
Was bedeutet das für Bremen, eine Stadt, in der es immerhin noch 250 landwirtschaftliche Betriebe gibt, die auf 80% Grünland im Schwerpunkt Fleisch und Milch produzieren?
Was bedeutet das vor allem vor dem Hintergrund, dass den Deutschen das Essen nicht viel wert ist. Lediglich 12% des Einkommens werden heute noch dafür ausgegeben. 1980 waren es immerhin 22,9% und 1950 sogar noch 48.8 %. Aufgrund dieser verringerten Bewertung von Lebensmitteln, sahen sich viele Bauern gezwungen, so billig wie möglich zu produzieren. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Einsatz von billigem Importkraftfutter oder Tiermehl. Viele Bremer Betriebe, die kein Tiermehl verfüttern wollten, bezogen z.B. ihr Futter von einem Händler, der selber nie Tiermehl verarbeitet hat und in dessen Futterlieferungen dennoch bis zu 1,2% Tiermehlanteil nachgewiesen wurde. Der Grund waren LKW`s oder Containerschiffe, die Soja aus Übersee lieferten und ohne hinreichende Reinigung Tiermehl im gleichen Behälter transportierten. Hier gilt es, nach Alternativen zu suchen und z.B. Verbraucher zu motivieren, auf Produkte zuzugreifen, die von Tieren stammen, die mit selbst erzeugtem Futter gefüttert sind. Das bedeutet natürlich auch bereit zu sein dafür mehr Geld zu bezahlen.
Es gibt in wachsendem Masse Betriebe, die den Weg des ruinösen Preiskampfes in der Landwirtschaft verlassen und auf "Klasse statt Masse" setzen. Ökologische Produktion ist zudem für viele die Grundlage zur Sicherung der eigenen Existenz. Im Gegensatz zur konventionellen Rinderzucht mit Milch- oder Fleischerzeugung durch eine nicht artgerechte sehr hohe Eiweißkraftfütterung, wird im ökologischen Landbau eine Zucht auf Lebensleistung praktiziert, die die artgerechte Fütterung und Haltung der Tiere durch entsprechende Richtlinien sicherstellt. Milchaustauscher und Tiermehl – die bisher bekannten Übertragungsquellen für BSE – sind in den Richtlinien des ökologischen Landbaus verboten. Seit 2001 ist darüber hinaus die noch vorhandene Übertragungsmöglichkeit über zugekaufte Kälber ebenfalls ausgeschlossen. Seither dürfen nur noch Tiere aus eigener Zucht als "Ökoware" verkauft werden. Aber 100%tige Sicherheit gibt es nicht, solange nicht alle Übertragungsmöglichkeiten bekannt sind, bzw. ein Bluttest möglich ist, der die BSE-Infektion am lebenden Rind nachweist.
Aus der Nachhaltigkeitsperspektive gilt es, konsequent nach landwirtschaftlichen Alternativen zu suchen und Verbraucherinnen und Verbraucher dabei aktiv einzubinden. Unser Umgang mit der Kuh z.B. – insbesondere unser Verhältnis zur "Q-Milch" ("Q" sprich sich "Kuh" und steht gleichzeitig für "Qualität") – war in diesem Sinne Thema eines Kinder- und SeniorInnenkunstwettbewerbs, der eine grosse Resonanz fand. Er versteht sich auch als innovatives Instrument einer zukünftigen verbraucherorientierten Qualitätsstratetgie.
Ob Kinder oder Erwachsene in Zukunft bei jeder Kuh nur noch angstvoll an BSE denken, oder ob sie sie wieder als liebenswertes Tier erleben, das die norddeutsche Landschaft entscheidend prägt und deren Produkte sie sicher genießen können, wird davon abhängen, ob es gelingt, eine Wende in der Produktion und im Verbraucherverhalten gleichermaßen zu erreichen
Die während des "Q-Milchkunstwettbewerbs" entstandenen Objekte, wie z.B. phantastische Kühe mit gefüllten Bauchläden, haben vor Ort gezeigt, dass sie Anlass vieler Fragen zu Fleisch und Milch, zur Situation der Bremer Landwirtschaft, der Perspektive der Landwirtschaft und vor allem des ökologischen Landbaus sind. Ver-schiedene Begleitveranstaltungen mit ErzeugerInnen VerarbeiterInnen, Vermarkter-Innen und VerbraucherInnen, zeigten wie hoch der Bedarf ist, die Thematik weiter-zuführen, sie durch aktuelle Informationen und Handlungsangebote zu erweitern und dabei durch didaktisch anregende Medien zu ergänzen.
Nach unseren Erfahrungen regen die Objekte des Kinder- und SeniorInnen-kunstwettbewerbs viele BetrachterInnen an, selbst kreativ zu werden und das eigene Verhalten dabei kritisch zu hinterfragen. Wir haben sie deshalb als Wanderausstellung Bremer Gemeinden und Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Für Kindergruppen und Altenkreise wurde ein Lese-, Spiel- und Gestaltungsangebot entwickelt, das erweitert um das Thema BSE die Ausstellung begleitet hat. Die praktischen Ergebnisse dieses Begleitangebots wurde als neue Exponate in die Ausstellung aufgenommen.
Da es zudem eine ganze Reihe Einrichtungen gibt, die keine Möglichkeit hatten, die Ausstellung zu übernehmen, bzw. bis zum heutigen Tage am Thema brennend interessiert sind, haben wir eine Reihe methodisch-didaktischer Journale entwickelt. Das Kernziel ist die Bereitstellung von Arbeitshilfen, die es dem Bildungs- und Erziehungsbereich ermöglichen, das Thema "Von der BSE-Krise zur gläsernen Kuh" über exemplarische Zugangspfade selbständig zu vertiefen. Für unterschied-liche Interessengruppen wurden spezifische Themen-Journale erstellt und exemplarisch erprobt. Sie enthalten dokumentarische Fotos die die Methodik dieser exemplarischen Lernprozesse verdeutlichen bzw. Repros mit visualisierten Hinter-grundinformationen. Jede Serie besteht aus einem Dia-Journal und einem metho-disch-didaktischen Begleitheft. Alle Serien können ins Internet eingestellt werden.
Grundsätzlich wenden sich die sechs Serien an MultiplikatorInnen aus dem Bildungs- und Erziehungsbereich. Die einzelnen Themen gliedern sich wie folgt:
Exemplarische Zielgruppe: Bildungsurlaubsteilnehmer, abhängig Beschäftigte
Exemplarische Zielgruppe: Landfrauen, Landwirte, VerbraucherInnen
Exemplarische Zielgruppe: Berufstätige und Senioren
Exemplarische Zielgruppe: Jugendliche und junge Erwachsene
Exemplarische Zielgruppe: Kinder- und Senioren
Exemplarische Zielgruppe: Kindergartenkinder und -personal